Heute möchte ich euch einladen, mich auf eine Tour ins Karwendel zu begleiten. Für mich eher untypisch führt diese Reise tagsüber in die Tiefen des Karwendels. Bei Temperaturen von bis zu 27 Grad Celsius und wechselnder Bewölkung stehen die Chancen auf ungünstige Bedingungen zum Fotografieren hoch. Wir alle kennen den Spruch: „Zwischen 11 und 3 hat der Fotograf frei.“ Dennoch hoffe ich, einige Steinböcke anzutreffen, weshalb ich das Sony 200-600mm sowie den TC1.4x Telekonverter mitnehme. Das Tamron 35-150mm f2-2.8 ist natürlich ebenfalls als „Immerdrauf-Objektiv“ dabei.
Tagsüber Tierfotos mit hohen Brennweiten zu machen, hat definitiv seine Tücken – wie wir später noch feststellen werden. Trotzdem nehme ich das schwere Gepäck in Kauf und wir beginnen die geplante Tour (ca. 7 Stunden, 1600 Höhenmeter). Um die Steinbock-Population zu schützen, werde ich keine genauen Ortsangaben machen. Kenner wissen ohnehin, wo ich war.
Nach etwa 1,5 Stunden schweißtreibenden Aufstiegs erreichen wir den ersten Aussichtspunkt mit Blick zurück ins Tal.
Sony A7RV + Tamron 35-150mm – Freihand Panorama aus 4 Hochformat Bildern bei 35mm
Die erste Hütte, die wir passieren, wird natürlich sofort genutzt, um den Flüssigkeitshaushalt etwas aufzubessern. Dank der Sonne merke ich das Gepäck an diesem Tag besonders. Ich habe zwar etwa 2 Liter für mich und 1,5 Liter für Sam dabei, aber die Hütte war fest eingeplant. Ohne die Hütte hätte ich mit 3 Litern für mich und knapp 2 Litern für Sam kalkuliert.
Sony A7RV + Tamron 35-150mm – 45mm f2.2 – ISO100
Weiter geht es in Richtung des ersten Gipfels. Ab jetzt führt der Weg zunächst relativ flach weiter, was meiner Erholung zugutekommt. Nach etwa einer halben Stunde Fußmarsch eröffnet sich ein schöner Blick zurück zur Hütte.
Sony A7RV + Tamron 35-150mm – 47mm – f7.1 – ISO100
Nun geht es weiter in Richtung Gipfel. Hier sind die ersten Schwierigkeiten zu meistern, denn es gibt einige seilversicherte Passagen. Für geübte Bergwanderer mit Trittsicherheit und Schwindelfreiheit stellen diese jedoch keine große Herausforderung dar. Auch Sam meistert diese Abschnitte problemlos. Seit fast sechs Jahren macht er nichts anderes. 😉
Es dauert nicht lange und wir erreichen den Gipfel – einen wunderschönen Aussichtspunkt im Karwendel. Auch hier habe ich auf früheren Touren bereits Gämsen und Steinböcke gesehen. Doch wie befürchtet, ziehen sich diese tagsüber gerne an weniger frequentierte Orte zurück, sodass ich diesmal kein Glück hatte. Bis jetzt war das Sony 200-600mm nur unnötiger Ballast, der die Tour bei diesen Temperaturen wirklich zur Strapaze machte. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Meine geplante Rundtour soll uns noch auf einen weiteren Gipfel führen, von dem ich mir erhoffe, doch noch auf Steinböcke zu treffen. Nach einer kurzen Rast am Gipfel geht es daher weiter in Richtung des besagten Gipfels.
Sony A7RV + Tamron 35-150mm – Freihand Panorama aus 6x Hochformat Bildern – 35mm – f7.1 – ISO100
Sony A7RV + Tamron 35-150mm – 42mm – f7.1 – ISO100
Nun geht es zum ersten Mal wieder etwas bergab. Ich bin ja generell kein großer Freund von Gegenanstiegen, aber auf dieser Tour lässt sich das leider nicht vermeiden. Mittlerweile macht sich auch die Sonne bemerkbar. Die anfängliche Faulheit, sich nicht sofort bei Tourenbeginn einzucremen, rächt sich jetzt. Das Nachcremen ist zwar nicht mehr so effektiv, aber absolut notwendig. Normalerweise habe ich auf solch langen Touren ein leichtes, langes Hemd dabei, das ich zum Sonnenschutz überziehen kann, ohne großartig zu schwitzen. Dieses Mal habe ich es natürlich vergessen.
Vor uns liegen wunderschöne Wiesenhügel. Ich war leider noch nie in Neuseeland, aber genauso stelle ich es mir dort vor. Doch auch hier fällt mir auf: Abgesehen von einigen Kühen weiter unten im Tal gibt es absolut keine Tiere zu sehen. Ich bleibe optimistisch.
Sony A7RV + Tamron 35-150mm – 35mm – f2.2 – ISO100
Man erkennt gut den Weg, dem wir ab jetzt folgen werden. Er führt uns zunächst über saftige Wiesen, durch ein kleines Latschenfeld und schließlich auf den letzten schottrigen Wegabschnitt bis zum Gipfel. Genau dort hoffe ich auf eine Begegnung mit ein paar Steinböcken, wie ich es in der Vergangenheit schon erlebt habe. Langsam komme ich jedoch für diesen Tag an meine körperlichen Grenzen. Die Sonne knallt herunter, und ich könnte alle 50 Meter stehenbleiben und etwas trinken. Aber wieder etwas gelernt: nächstes Mal nehme ich wieder die Trinkblase mit!
Trotzdem geht es noch irgendwie weiter, wenn auch deutlich langsamer als zu Beginn des Tages. Als wir den steinigen Teil des Weges erreichen, erspähen meine Augen tatsächlich in weiter Ferne die ersten Steinböcke. Zugegeben, ich kenne deren Lieblingsplätze an diesem Gipfel, sodass ich vorher wusste, wo ich suchen muss. Langsam, aber sicher bahne ich mir einen Weg zu einem optimalen Standpunkt, um die Steinböcke zu fotografieren. Es bietet sich immer an, mindestens auf Augenhöhe mit den Steinböcken zu sein. Manchmal jedoch ist es auch von Vorteil, etwas höher zu stehen als die Steinböcke, um einen schönen Hintergrund ins Bild zu zaubern. Die Steinböcke sind wie gewohnt absolut entspannt – sie nehmen uns zwar wahr, fühlen sich jedoch in keiner Weise bedroht oder nachgestellt.
Es ist mir ein Anliegen zu betonen, dass ich großen Wert auf natürliche Fotos lege. Ich möchte die Wildtiere möglichst ungestört beobachten und in ihrem natürlichen Verhalten fotografieren. Ein Steinbock oder eine Gams, die mich aus Angst anstarrt, würde ich weder fotografieren noch zeigen. Genau das macht für mich die Naturfotografie aus. Mein Fußabdruck bei meinen Ausflügen soll möglichst gering sein.
Jetzt fragen sich vielleicht einige, wie ich das mit einem Hund mache. Wer meinen Sam noch nicht live erlebt hat, sollte Folgendes wissen: Sam ist zwar ein ungarischer Vizsla (Jagdhund), doch bei ihm scheint einiges schiefgegangen zu sein – zu meiner Freude! Er hat ziemlichen Respekt, wenn nicht sogar Angst vor fast allen Tieren, selbst vor einem Laubfrosch. Insofern zeigt er absolut keinen Jagdtrieb, bleibt immer auf den Wegen, gehorcht bei erkannten Tieren zu 100 % und bleibt stets in meiner Nähe.
Mittlerweile habe ich den Weg etwas verlassen, den Rucksack abgelegt und das Sony 200-600mm mit dem Telekonverter montiert. Den Rucksack habe ich zurückgelassen, um beweglicher zu sein. Während ich mich also mit dem Fotografieren der Steinböcke beschäftige, hat Sam sich hingelegt – endlich konnte er mal entspannt Pause machen, wobei er mich natürlich nicht aus den Augen lässt.
Ich habe gleich mehrere Steinböcke entdeckt, in verschiedenen Entfernungen. Es ist sehr schwierig, ein „spannendes“ Bild von Steinböcken zu machen, besonders wenn sie einfach nur in Höhlen liegen oder sitzen. Die Tierfotografie lebt von spannenden Perspektiven mit Vordergrund, Hintergrund und Unschärfen. Deshalb widme ich den Steinböcken an dieser Stelle sicherlich fast 30 Minuten, bis ich alle möglichen Varianten ausprobiert habe.
Sony A7RV + Sony 200-600mm + 1.4x Telekonverter – 840mm – f9 – ISO1000 – 1/1600sec
Sony A7RV + Sony 200-600mm + 1.4x Telekonverter – 840mm – f9 – ISO1000 – 1/1600sec
Es ist einfach ein unfassbarer Moment. Die Steinböcke sind total entspannt. Zwei von ihnen darf ich bei einem Nickerchen beobachten. Ich habe mich tatsächlich noch nie gefragt, wie Steinböcke oder Wildtiere allgemein schlafen. Diese Frage hat sich für mich jetzt erübrigt.
Sony A7RV + Sony 200-600mm + 1.4x Telekonverter – 840mm – f9 – ISO1000 – 1/1600sec
Ein anderes Exemplar hat mich wohl durchaus bemerkt, doch außer einem kurzen Blick hat es mich dann nicht weiter beachtet. Um diese Uhrzeit scheinen die meisten von ihnen zu rasten.
Sony A7RV + Sony 200-600mm + 1.4x Telekonverter – 840mm – f9 – ISO1600 – 1/1600sec
Etwas weiter entfernt habe ich noch diese beiden Exemplare entdeckt. Schon jetzt bin ich maximal mit meiner Brennweite ausgestattet, dennoch reicht es nicht aus, um diese Steinböcke formatfüllend abzulichten. Näher herangehen möchte ich jedoch nicht, da ich denjenigen Steinböcken, die sich in den Felsen verkrochen haben, nicht zu nahe kommen möchte. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als das Beste daraus zu machen.
Auf dieser Entfernung merke ich tatsächlich langsam die Grenzen der Telefotografie. Ich arbeite hier mit 840 mm im Kleinbildformat, und das um ca. 15 Uhr bei über 20°C Außentemperatur. Ich produziere unheimlich viel Ausschuss aufgrund von Hitzeflimmern in der Luft. Doch ich bemerke irgendwann eine offensichtliche Korrelation zwischen dem Hitzeflimmern und den Lichtverhältnissen. Wenn das Licht ungehindert und ohne Wolken auf den Berg fällt, ist das Hitzeflimmern stärker. Ist die Sonne durch Bewölkung gedämpft, nimmt auch das Hitzeflimmern ab. Daher ist es oft angebracht, einfach zu warten und auf das passende Wetterfenster zu hoffen.
Sony A7RV + Sony 200-600mm + 1.4x Telekonverter – 840mm – f9 – ISO2000 – 1/1600sec
Nach etwa 40 Minuten an diesem Standort begebe ich mich zurück zu meinem Rucksack und „sattle noch einmal auf“. Ich möchte weiter in Richtung Gipfel, da dort oben weitere Steinböcke zu sein scheinen. Der Aufstieg ist sehr mühsam. Ab hier ist der Weg teilweise nur loser Schotter, und die Kamera im Anschlag sowie die beiden Stöcke machen mich etwas unbeweglich und steif. In solchen Fällen hänge ich mein Sony 200-600mm mit dem Stativfuß in den Brustgurt meines F-Stop Rucksacks. Um sicherzustellen, dass die Kamera samt Objektiv nicht auf den Boden fällt, wenn der Brustgurt sich öffnen sollte, habe ich das Objektiv an den beiden Befestigungsösen mit einem Peak Design Gurt gesichert, den ich um den Hals trage.
Es vergehen etwa weitere 100-150 Höhenmeter, bis ich zu einem weiteren Punkt komme, an dem ich verweile und mich der Fotografie widme. Erneut befinden sich etwa 7-10 Steinböcke in relativer Nähe. Die Tiere sind absolut tiefenentspannt und beachten weder mich noch Sam. So kann auch ich mich entspannt der Fotografie widmen.
Besonders beeindruckend war es, die drei relativ jungen Böcke zu beobachten. Man konnte förmlich ihr jugendliches Verhalten erkennen. Ein Bock hatte sichtlich Freude an einem letzten Schneefeld. Es wirkte fast so, als würde er damit spielen. Ein solches Verhalten hatte ich noch nie gesehen, und selbst jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, bin ich noch immer fasziniert von diesem Erlebnis!
Sony A7RV + Sony 200-600mm + 1.4x Telekonverter – 840mm – f9 – ISO1600 – 1/1600sec
Die anderen Steinböcke erinnerten mich an drei jugendliche Kids auf einem Schulhof. Zuerst beschnupperten sich die Böcke, und im nächsten Moment gab es eine kleine Rauferei, bei der zwei der Böcke mit ihren Hörnern und Schädeln aufeinander trafen. Ein beeindruckender Anblick, den ich bei Jungtieren bisher noch nicht erleben durfte.
Sony A7RV + Sony 200-600mm + 1.4x Telekonverter – 840mm – f9 – ISO3200 – 1/1600sec
Sony A7RV + Sony 200-600mm + 1.4x Telekonverter – 840mm – f9 – ISO3200 – 1/1600sec
Sony A7RV + Sony 200-600mm + 1.4x Telekonverter – 840mm – f9 – ISO2000 – 1/1600sec
Nach dieser Einlage machten sich die drei langsam in die andere Richtung auf, immer in Richtung des saftigen grünen Futters. Doch das war noch nicht alles. Während sich die Steinböcke langsam aber sicher zur nächsten Lichtung bewegten, ergaben sich plötzlich völlig neue Perspektiven für mich. Endlich zeichnete sich ein Bild ab, das ich schon so lange in meiner Fantasie hatte.
Sony A7RV + Sony 200-600mm + 1.4x Telekonverter – 791mm – f9 – ISO2500 – 1/1600sec
Dieses Bild ist ein Paradebeispiel fürs Hitzeflimmern. Nur durch massiven Softwareeinsatz und nachschärfen konnte ich überhaupt ein vorzeigbares Bild erreichen. Für die Webdarstellung auf meiner Homepage ist es in Ordnung, für eine anderweitige Nutzung ist die Bildqualität, der Detailgrad und die Schärfe für meinen Anspruch jedoch nicht genügend.
Sony A7RV + Sony 200-600mm + 1.4x Telekonverter – 741mm – f9 – ISO3200 – 1/1600sec
Sony A7RV + Sony 200-600mm + 1.4x Telekonverter – 840mm – f9 – ISO3200 – 1/1600sec
Bevor die Steinböcke nun hinter der Lichtung verschwanden, hatte ich noch einmal Gelegenheit, sie zu fotografieren. Als ob sie wüssten, dass man sie gerne als die „Könige der Berge“ bezeichnet, platzierten sie sich feierlich auf der Lichtung. Was für ein Anblick!
Sony A7RV + Sony 200-600mm + 1.4x Telekonverter – 840mm – f9 – ISO2000 – 1/1600sec
Sony A7RV + Sony 200-600mm + 1.4x Telekonverter – 840mm – f9 – ISO2500 – 1/1600sec
Auch während dieser letzten Aufnahme hat sich Sam übrigends vorbildlich verhalten und wartete geduldig darauf dass wir endlich weiter können.
Nach den letzten Bildern dieser Tour begann der Abstieg. Hier gab es nicht mehr viel zu sehen, daher packte ich die Kamera zügig weg, um den Abstieg schneller und sicherer zu meistern.
Ich bedanke mich fürs Zuschauen und freue mich über Kommentare, Feedback und Zuschriften!
Sehr toller Beitrag und super schöne Fotos 🤩
Servus Florian, ich bin über FLICKR zu deinem Blog gekommen und bin begeistert. Ich schau‘ jetzt öfter vorbei 😉
Wahnsinnig toller Beitrag!
Beste Grüße
Lars
Moin Florian,
sehr spannend geschrieben und großartige Fotos!